Wo ist unser Churchill?

Der Messias soll kommen und uns retten!

Viele von uns warten auf das Erscheinen eines neuen Churchills, als sei es die Wiederkunft Christi. Ein Mann soll kommen, der mit entschlossener Stimme die Wahrheit ausspricht und die Nation hinter sich versammelt. Einer, der den Sturm erkennt, bevor er zuschlägt, und nicht davor zurückschreckt, sich ihm entgegenzustellen. Doch dieser Gedanke ist eine Illusion – eine bequeme Flucht aus der Realität.

Churchill war kein Zufall. Er war das Produkt einer Gesellschaft, die sich ihrer Verantwortung bewusst war, die die Kosten des Versagens kannte und bereit war, Opfer zu bringen. Wenn es heute irgendwo Churchills gibt, dann in der Ukraine, in Moldawien oder im Baltikum – in Gesellschaften, die kämpfen müssen, um zu überleben. Deutschland hingegen hat Olaf Scholz. Der Kanzler, der nicht führt, sondern abwartet. Der sein politisches Handeln an Umfragen ausrichtet, statt Prinzipien zu verteidigen. Seine Kanzlerschaft sagt weniger über ihn als über uns aus. Was von Merz zu erwarten ist muss sich erst noch zeigen. Wenn man auf die letzten 20 Jahre in Deutschland zurück blickt muss man sagen - ein Land, das keine Herausforderungen annimmt, kann auch keine Führer hervorbringen.

Die Geschichte kennt jene seltenen Momente, in denen der Lauf der Dinge rasant an Fahrt aufnimmt. So wie damals, als Ronald Reagan entschied: „Wir gewinnen, sie verlieren.“ Oder als Michail Gorbatschow versuchte, die Sowjetunion durch Reformen zu retten – und sie damit erst recht zu Fall brachte. Heute stehen wir vor einer ähnlichen Wegscheide. Der Westen wird entweder die Realität anerkennen oder sich in einer Welt wiederfinden, in der er nicht mehr das Sagen hat.

Russland und China haben längst entschieden. Sie haben die Ära der globalen Konfrontation eingeläutet und rüsten sich für einen Systemkonflikt. Moskau hat die vollständige Mobilisierung abgeschlossen, Peking baut Schiffe schneller, als die US-Werften hinterherkommen. Europa hingegen diskutiert über „Eskalationsmanagement“, als ob man einem Feind, der auf Krieg eingestellt ist, mit diplomatischer Feinjustierung begegnen könnte. In Wahrheit haben wir die Wahl längst nicht mehr: Entweder wir bereiten uns auf den Kampf vor – oder wir werden überrannt.

Der Westen ist nicht schwach, weil er keine Mittel hätte. Er ist schwach, weil er nicht bereit ist, sie einzusetzen. In den Jahrzehnten nach dem Kalten Krieg haben sich unsere Gesellschaften an die Vorstellung gewöhnt, dass Wohlstand und Sicherheit selbstverständlich sind. Dass eine regelbasierte Ordnung existiert, die von allein Bestand hat. Doch Regeln existieren nur, wenn jemand bereit ist, sie mit harter Macht zu verteidigen. Russland und China haben dies verstanden. Wir nicht.

Heute haben westliche Politiker Angst, ihren Völkern die Wahrheit zu sagen. Sie reden von Diplomatie, wenn Abschreckung gefragt wäre. Sie klammern sich an wirtschaftliche Interessen, wenn wirtschaftliche Abkopplung die einzige Lösung wäre. Sie tun so, als könnten sie die Welt von gestern bewahren, während sich die Achse der Diktaturen bereits auf morgen vorbereitet.

Ein Churchill würde seinen Bürgern klarmachen: „Wollt ihr euren Wohlstand behalten, müsst ihr dafür kämpfen. Wollt ihr eure Sicherheit wahren, müsst ihr bereit sein, Krieg zu führen, wenn es darauf ankommt.“ Abschreckung funktioniert nur, wenn sie glaubwürdig ist – und Glaubwürdigkeit erfordert Härte.

Doch anstelle von Churchills haben wir Bürokraten. Menschen, die keine Vision haben und für die Führung eine Verwaltungsaufgabe ist. Sie glauben, man könne Feinde mit guten Absichten besänftigen. Doch der Feind nimmt unsere Unsicherheit nicht als Zeichen moralischer Überlegenheit wahr, sondern als Einladung.

Es bleibt also die Frage: Wollen wir eine Gesellschaft sein, die Führer hervorbringt? Oder wollen wir eine Gesellschaft sein, die in Angst erstarrt und hofft, dass der Sturm an ihr vorüberzieht? Churchill wäre heute nicht Churchill, weil wir keine Gesellschaft mehr sind, die Churchills hervorbringen kann.

Doch es gibt Hoffnung. Nicht in den Palästen der europäischen Politik, sondern in den Schützengräben der Ukraine, in den strategischen Analysen der Balten, in den Warnungen derjenigen, die noch wissen, was auf dem Spiel steht. Die Zukunft gehört nicht den Zauderern, sondern denen, die bereit sind, ihre Welt aktiv zu gestalten.

Wir müssen eine neue Denkweise entwickeln. Eine, die sich nicht länger auf friedliche Koexistenz als Selbstverständlichkeit verlässt, sondern erkennt, dass Frieden verteidigt werden muss. Wirtschaftliche Abhängigkeiten sind kein Garant für Stabilität – sie sind ein Schwachpunkt, den unsere Feinde längst ausnutzen. Wir haben zugelassen, dass sich unser industrielles Rückgrat in die Hände jener begibt, die uns schaden wollen. Es wird Zeit, dass wir es zurückholen.

Dazu gehört auch, dass wir aufhören, unsere militärischen Fähigkeiten als notwendiges Übel zu betrachten. Abschreckung ist keine Provokation, sondern Überlebensstrategie. Russland und China verstehen das – sie arbeiten aktiv daran, unsere Schwäche auszunutzen. Wir hingegen diskutieren über moralische Fragen, während unsere Feinde bereits zum Angriff übergehen. Die Welt wird nicht durch Absichtserklärungen verändert, sondern durch entschlossene Handlungen.

Churchill wurde nicht durch Wunschdenken geboren. Er wurde geformt von einer Gesellschaft, die bereit war, sich dem Schicksal entgegenzustellen. Die Frage ist nicht, ob ein neuer Churchill erscheint. Die Frage ist, ob wir eine Gesellschaft sein wollen, die ihn verdient. Wenn wir uns weigern, die Realität anzuerkennen, werden wir keinen Churchill hervorbringen. Dann werden wir von der Geschichte verschluckt – nicht als Protagonisten, sondern als Fußnote.

Noch ist es nicht zu spät. Aber die Zeit läuft uns davon.