Wie leicht es ist, eine Wahl zu kippen

Rumäniens Wahldesaster zeigt: Unsere Demokratien sind noch verwundbarer als wir dachten. Kein russischer Hack, kein Kreml-Coup – sondern ein TikTok-Manöver aus dem Regierungslager selbst. Die Lehre: Wahlen lassen sich erschreckend leicht kapern.

Die Präsidentenwahl in Rumänien sollte ein weiterer Beleg für Russlands hybride Kriegsführung sein. So klang es jedenfalls zunächst: Desinformation aus Moskau, Wahlbeeinflussung per TikTok, ein gefährlicher Außenseiter schießt nach oben. Doch je näher man hinsieht, desto klarer wird: Der eigentliche Coup kam nicht aus Russland – sondern aus dem Inneren der rumänischen Parteienlandschaft. Und das ist der eigentliche Skandal: Denn es bedeutet, dass es keiner globalen Großmacht mehr bedarf, um eine Wahl in einem EU-Staat aus dem Tritt zu bringen. Ein paar digitale Tricks, gezieltes Influencer-Marketing und parteipolitisches Kalkül genügen.

Dimitri Nabokoff

Was als Abwehr gegen russische Manipulation inszeniert wurde, war in Wahrheit ein schiefgegangenes Machtmanöver der Nationalliberalen Partei. Sie finanzierte über Umwege eine TikTok-Kampagne, die den rechtsesoterischen Kandidaten Călin Georgescu ins Rampenlicht hob – um ihn später im zweiten Wahlgang als abschreckende Alternative zu präsentieren. Doch der Plan implodierte: Statt Georgescu zu instrumentalisieren, katapultierte ihn die virale Kampagne an die Spitze. Der eigentliche Regierungskandidat wurde aus dem Rennen geworfen. In Panik wurde die Wahl annulliert, Georgescu ausgeschlossen – und die Schuld dem üblichen Verdächtigen Russland zugeschoben.

Natürlich hat Russland stets ein Interesse daran, westliche Demokratien zu destabilisieren. Und ja, einzelne Elemente der Kampagne – darunter Accounts mit türkischer IP oder prorussische Narrative – deuten auf eine mögliche fremde Mitnutzung der Strukturen hin. Doch das Zentrum der Manipulation war Bukarest, nicht Moskau. Und das macht die Sache noch alarmierender. Denn es zeigt: Die Werkzeuge zur Wählertäuschung, zur massenhaften emotionalen Aufladung, stehen längst in jedem Wahlkampfarsenal. Nicht mal eine Million Euro reichten aus, um eine Präsidentschaftswahl zu sprengen.

Was also folgt daraus? Nicht Entwarnung, sondern das Gegenteil. Wenn sogar in einem EU-Mitgliedstaat mit formal rechtsstaatlichen Strukturen eine solche Farce möglich ist – was bedeutet das für die Resilienz anderer Demokratien? Für die Integrität kommender Wahlen in Polen, Frankreich oder gar Deutschland? Der Feind steht nicht nur in Moskau – er sitzt in den Apparaten, in den Agenturen, in den Schatten-Kampagnen, die demokratische Verfahren als taktisches Spielfeld missbrauchen.

Die EU darf das nicht durchwinken. Es braucht lückenlose Aufklärung, Sanktionen gegen beteiligte Parteien und neue Regeln für digitale Wahlwerbung: Transparenzpflichten für Inhalte, Herkunft und Finanzierung; Kontrollmechanismen für Social-Media-Plattformen im Wahlkontext; ein Frühwarnsystem für Wahlbeeinflussung. Denn die rumänische Wahl war kein Einzelfall. Sie war ein Testlauf – und ein Alarmsignal. Wer jetzt nicht handelt, riskiert, dass Wahlen zur Simulation verkommen.