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Verfassungsschutz gegen AfD – Triumph der Demokratie oder Pyrrhussieg?
Die AfD wird als rechtsextrem eingestuft – doch was bedeutet das wirklich für die Demokratie?
Am 2. Mai 2025 wurde eine rote Linie gezogen – oder zumindest behauptet, sie sei überschritten worden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD offiziell als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Eine Zäsur, zweifellos. Doch wer glaubt, damit sei die Partei politisch erledigt, irrt. Ein Verbot ist nicht in Sicht, und vielleicht auch gar nicht möglich. Stattdessen bekommt der Staat neue Werkzeuge in die Hand: Überwachung, V-Leute, strukturelle Durchleuchtung. Aber was folgt daraus wirklich?
Man könnte meinen, das sei ein Sieg für die Demokratie. Der Rechtsstaat schärft sein Profil, bezieht Haltung, setzt ein klares Zeichen. Doch dieser Zugewinn an institutioneller Macht ist kein Garant für politische Wirksamkeit. Im Gegenteil: Er könnte sich als zweischneidiges Schwert erweisen. Denn der politische Gegner, den man so energisch markiert, könnte durch die Maßnahme sogar gestärkt werden.
Gerade die AfD lebt von der Erzählung, dass „das System“ gegen sie sei. Jetzt hat sie den Beweis auf dem Silbertablett. Viele ihrer Anhänger dürften sich bestätigt fühlen – und zugleich provoziert. Bestätigt, weil sich ihre düsteren Prophezeiungen von einer feindlichen Elite scheinbar erfüllen. Provoziert, weil ihre Wahlentscheidung nun offiziell mit Verfassungsfeindlichkeit assoziiert wird. Das kann paradoxe Wirkungen haben: Trotz – oder gerade wegen – der Einstufung könnte die Partei weiter an Zustimmung gewinnen. Ein politischer Pyrrhussieg?
Gleichzeitig geschieht jedoch auch etwas anderes. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums wirkt die Entscheidung wie ein Weckruf. Wer bislang unsicher war, ob die AfD wirklich so gefährlich ist, bekommt nun eine klare staatliche Bewertung – nicht von einem politischen Gegner, sondern von der obersten Behörde zur Verteidigung der Verfassung. Diese Klarheit kann mobilisieren. Wahlbeteiligung, zivilgesellschaftliches Engagement, die Attraktivität demokratischer Parteien – all das könnte zunehmen. Der Effekt wäre: ein Gegenpol, der sich nicht aus Abwehrinstinkt, sondern aus Überzeugung formiert.
Man spürt also, wie ambivalent dieser Moment ist. Die Entscheidung markiert einen Wendepunkt, ohne dass klar ist, in welche Richtung er letztlich führt. Sie kann die Polarisierung verschärfen, aber auch die Linien klären. Sie kann zu weiterer Eskalation führen – oder dazu, dass endlich offener gesprochen wird über das, was viele längst ahnen: dass sich hier eine grundsätzliche Auseinandersetzung um die Demokratie selbst abzeichnet.