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Russlands Schattenkrieg im Nahen Osten
Wie Moskau die Iran-Krise nutzt, um den Westen zu spalten und die Ukraine zu schwächen.
Die Evakuierung des US-Botschaftspersonals aus dem Irak war kein symbolischer Akt, sondern ein unübersehbares Signal. Sie soll dem Iran unmissverständlich verdeutlichen, dass die USA diesmal nicht bluffen – dass sie bereit sind, eine harte Linie zu fahren, auch wenn das Risiko einer militärischen Eskalation steigt. Doch hinter diesem offen zur Schau gestellten Abschreckungsversuch liegt ein tieferes geopolitisches Kalkül, das weit über Teheran hinausreicht.
Die jüngsten Entwicklungen markieren nicht nur das Scheitern aller diplomatischen Bemühungen zwischen Washington und dem Mullah-Regime. Sie offenbaren auch, wie geschickt der Kreml die Dynamik im Nahen Osten instrumentalisiert. Putins Versuch, sich selbst als Vermittler zwischen Iran und USA ins Spiel zu bringen, war eine Farce. Chamenei folgt nicht Moskaus Ratschlägen – und Moskau verfolgt kein Interesse an Entspannung. Im Gegenteil: Der Kreml setzt auf Eskalation. Ein großer Krieg im Nahen Osten könnte die USA binden, ihre Ressourcen aufzehren – und Putin die strategische Freiheit geben, in Europa neuen Druck aufzubauen.
Vor diesem Hintergrund wird die iranische Atomfrage zur doppelten Bedrohung: militärisch – falls Teheran tatsächlich die Schwelle zur Nuklearwaffe überschreitet –, aber auch geopolitisch, weil Russland womöglich bereit ist, genau diesen Schritt zu beschleunigen. Die militärische Kooperation zwischen Moskau und Teheran ist längst Realität, technologische Transfers nicht ausgeschlossen. Ein atomar aufgerüsteter Iran wäre ein strategischer Albtraum – und ein massiver Machtgewinn für den Kreml.
Putins Strategie ist alt und neu zugleich: Die USA sollen in multiple Konflikte verwickelt werden, jeder einzelne als Ablenkung gedacht, als gezielte Überlastung der westlichen Entscheidungsfähigkeit. Der Nahe Osten wird dabei zur Bühne einer geopolitischen Kriegsökonomie. Aufmerksamkeit ist die entscheidende Ressource – und wer sie kontrolliert, verschiebt Macht. Wenn die USA über Hormus reden, reden sie nicht über Cherson. Wenn Europa Ölpreis-Schocks fürchtet, verliert es den Blick für die Frontlinie in der Ukraine. Der Verlust an Aufmerksamkeit ist in der heutigen Informationsgesellschaft keine Petitesse, sondern eine geopolitische Waffe.