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Russland startet Sommeroffensive
Unter dem Deckmantel von Friedensgesprächen setzt Russland seine imperialen Pläne in der Ukraine fort.
Während in Istanbul erneut von Friedensgesprächen die Rede ist, hat Russland faktisch längst den nächsten Akt seines Krieges gegen die Ukraine eingeleitet. Die Sommeroffensive, von westlichen Medien wie der New York Times und verschiedenen Beobachtern bereits bestätigt, ist mehr als nur eine militärische Operation: Sie ist Ausdruck eines tief verwurzelten Machtanspruchs, der keinen Raum für Kompromisse lässt.
Putins Ziele sind dabei so klar wie beunruhigend. Die russische Armee rückt mit wachsender Geschwindigkeit vor, insbesondere in der Region Donezk, um die administrativen Grenzen der sogenannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk zu erreichen – ein Ziel, das der Kreml bereits zu Beginn des Überfalls im Februar 2022 formulierte. Neu ist dabei höchstens die Tarnung: Die Schaffung einer „Pufferzone“ soll als Sicherheitsmaßnahme verkauft werden, in Wahrheit aber bereitet sie den Boden für eine neue Runde von Annexionen vor. Die Erinnerung an die Scheinreferenden in Cherson und Saporischschja ist noch frisch – genau dieses Drehbuch könnte nun wieder aufgerufen werden.
Man könnte sich fragen, ob die „Pufferzone“ nicht auch ein Zugeständnis an die militärische Realität ist: Die Ukraine hat mittlerweile das Potential, auch russisches Territorium zu treffen. Doch das eigentliche Ziel bleibt imperial: Die Ausdehnung russischer Kontrolle und die Legitimierung von Besatzung unter dem Deckmantel eines Referendums. Moskau redet von „Schutz“, meint aber „Anschluss“.
Parallel dazu versucht der Kreml, die ukrainische Regierung zu erpressen: Bombardements und Angriffe auf zivile Infrastrukturen sollen den Widerstand brechen und die Bevölkerung demoralisieren. So will Putin am Verhandlungstisch Bedingungen diktieren, die faktisch auf Kapitulation hinauslaufen. Ein brutales Kalkül – und doch zeigt sich darin auch die Schwäche des russischen Vorstoßes. Denn nicht nur die militärische Lage ist für Moskau riskant, auch politisch könnte der Schuss nach hinten losgehen.
Die Offensive könnte scheitern, die Front könnte wieder erstarren – ein Szenario, das nicht nur die Ukraine zermürben, sondern auch Russlands Ressourcen aufzehren würde. In einer Gesellschaft, die Putins Krieg bislang getragen hat, könnte sich dann die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieses imperialen Abenteuers stellen. Zumindest zeigen erste Reaktionen in der Ukraine selbst, dass der Versuch, die Bevölkerung zu demoralisieren, bislang eher das Gegenteil erreicht.
Geopolitisch hat Putins Offensive bereits einen Preis: Die bislang vorsichtigere Haltung des Westens wankt. Donald Trump, dessen Präsidentschaft Putin als große Chance betrachtet, hat Moskau nun doch härtere Worte entgegengesetzt – eine Entwicklung, die Putin sicher nicht eingeplant hatte. Wenn Trump seine neuen Fristen ernst nimmt, könnte Putins Sommeroffensive sich als Bumerang erweisen, der Moskaus Position schwächt statt sie zu festigen. Und so steht der Kreml einmal mehr an einer Weggabelung, an der Hybris und Realität aufeinanderprallen.
Am Ende bleibt die Frage: Wird Putin aus dieser Offensive tatsächlich Vorteile ziehen – oder führt sie nur weiter in die Sackgasse, in der sich Russland seit Beginn seines Angriffs auf die Ukraine immer tiefer verfängt?