Putin nimmt das Baltikum ins Visier

Welche Auswirkungen ein demütigender Waffenstillstand mit der Ukraine für die Nachbarn hätte

Bedrohliche Perspektiven nach einem Waffenstillstand

Estlands Verteidigungsminister Hanno Pevkur warnt eindringlich vor einer existenziellen Bedrohung, die von russischen Truppen nach einem möglichen Waffenstillstand in der Ukraine für die baltischen Staaten ausgehen könnte. Pevkur hebt die dramatische Zahl von 600.000 russischen Soldaten hervor, die derzeit in Putins verbrecherischem Vernichtungskrieg gegen die Ukraine kämpfen. Ein Großteil dieser Truppen würde wohl kaum freiwillig in das karge zivile Leben zurückkehren, da der Einkommensunterschied zwischen russischen Söldnern und einfachen Zivilisten enorm ist.

Russische Militärpräsenz an der NATO-Grenze

Stattdessen besteht die reale Gefahr, dass die Hälfte dieser kampferprobten Einheiten direkt an die Grenzen zu den baltischen Staaten verlegt werden könnte. Dass Russland gemeinsam mit Lukaschenkos Marionettenregime in Belarus bereits großangelegte Militärübungen an diesen Grenzen abhält, untermauert diese düstere Annahme. Der Kreml signalisiert unverhohlen, dass er trotz NATO-Mitgliedschaft der baltischen Länder nicht davor zurückschreckt, eine mögliche Invasion vorzubereiten.

Europas wahre Befürchtung: Ein demütigender Waffenstillstand

Aus solchen alarmierenden Szenarien ziehen viele in der Ukraine die Schlussfolgerung, dass westliche Staaten kein echtes Interesse an einem Waffenstillstand haben könnten, da Russland anschließend erneut bereit wäre, Europa militärisch herauszufordern. Solche Sorgen teilt nicht nur Pevkur, sondern auch der Chef des deutschen Geheimdienstes, der offen erklärte, Russland benötige lediglich zwei Jahre, um seine Streitkräfte für eine Aggression gegen weitere europäische Staaten zu reorganisieren.

Doch diese Einschätzung greift zu kurz. Was Europa in Wahrheit fürchtet, ist kein Waffenstillstand per se, sondern vielmehr ein demütigender Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine – eine Kapitulation, die eindeutig die Ignoranz Washingtons gegenüber den Bedingungen offenbaren würde, unter denen dieser Krieg enden soll. Eine solche Vereinbarung würde es Russland ermöglichen, nicht nur die gegenwärtig besetzten ukrainischen Gebiete dauerhaft zu kontrollieren, sondern zudem kampflos weitere Regionen der Oblaste Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja zu übernehmen, genau wie es der Kreml dreist fordert.

Trumps gefährliches Spiel mit Russland

Ein solcher erniedrigender Frieden würde die Ukraine faktisch in ein russisches Protektorat verwandeln – insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Trump-Administration derzeit keinerlei Bereitschaft zeigt, ernsthafte Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu diskutieren. Selbst im jüngsten, erniedrigenden Entwurf des sogenannten „Rohstoff-Abkommens“ für die Ukraine, das Washington derzeit vorlegt, fehlen jegliche substanzielle Sicherheitszusagen. Es wird klar, dass Donald Trumps Ziel keineswegs Frieden in der Ukraine ist, sondern vielmehr die demonstrative Schonung Putins und dessen mörderischer Ambitionen.

Diese gefährliche Haltung der US-Regierung folgt der illusorischen Vorstellung, Russland durch Zugeständnisse und Beschwichtigungen aus der Allianz mit China herausbrechen zu können. Eine fatale Fehleinschätzung, die nicht nur die europäische Sicherheit bedroht, sondern auch die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Sicherheitsgarantien für Europa untergräbt – insbesondere im Falle einer offenen oder hybriden Aggression seitens Moskaus.

Bittere Lehren für Osteuropa

Vor diesem Hintergrund ziehen insbesondere jene europäischen Staaten, die direkt an Russland grenzen, eine bittere Erkenntnis: Wenn die USA nach drei Jahren brutaler russischer Aggression gegen die Ukraine und massiven eigenen Investitionen in deren Verteidigung nicht bereit sind, Russland entschlossen Einhalt zu gebieten – weshalb sollten sie dann in Zukunft glaubwürdig Polen oder das Baltikum schützen, wenn diese Länder selbst Ziel von Putins Kriegslust werden?

Ein demütigender Waffenstillstand könnte für Putin zum Testfall werden, um zu prüfen, ob der NATO-Artikel 5 unter Trumps Präsidentschaft noch realen Bestand hat. Eine russische Invasion ins Baltikum wäre dann beinahe unausweichlich – und diese Länder, klein und militärisch weit weniger widerstandsfähig als die Ukraine, wären dem Kreml schutzlos ausgeliefert. Niemand, der ernsthaft bei Verstand ist, würde die Verteidigungsfähigkeit der baltischen Staaten mit jener der Ukraine vergleichen.

Die Ukraine bleibt gefährdet

Dabei darf nicht vergessen werden, dass ein solcher erniedrigender Waffenstillstand auch für die Ukraine selbst brandgefährlich wäre. Wer behauptet, Europa wolle kein Ende des Krieges, weil es Angst habe, danach selbst zur Zielscheibe russischer Aggression zu werden, übersieht, dass Russland auch erneut die Ukraine angreifen könnte. Besonders dann, wenn weite Gebiete unter russischer Besatzung verblieben und Moskau dort mit brutaler Effizienz neue Mobilisierungen durchführen könnte.

Keine Illusionen über Russlands Ambitionen

Klar ist deshalb: Ein Waffenstillstand ohne konkrete, belastbare Sicherheitsgarantien für die Ukraine könnte entweder zur Vorbereitung eines großen Krieges mitten in Europa führen – oder erneut ukrainisches Territorium in Flammen setzen. Niemand sollte sich Illusionen machen: Die Ambitionen des Kremls könnten heute noch weit größer sein als am 24. Februar 2022.