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Niemand treibt Moskau in chinesische Arme
Russlands Schulterschluss mit China ist Ergebnis souveränen Machtkalküls – nicht Folge westlicher Handlungen.
Wieder hallt das geisterhafte Echo eines alten Entlastungsnarrativs durch Social Media: Die arme Großmacht Russland, angeblich ohne Alternativen, stolpert notgedrungen in die Umarmung Chinas – eine Tragödie orchestriert von Washington und Brüssel. Wer so argumentiert, verkennt die Realität. Moskau sucht Peking aus freien Stücken – und mit klarer imperialer Absicht.
Russia and China are being driven further into one another’s arms. This thwarts the ‘Reverse Nixon’ strategy some have suggested Trump might be trying – an attempt to decouple Russia from China, similar to Nixon’s move to split China from the USSR
— Alexander Kolyandr (@kolyandr)
1:14 PM • May 13, 2025
Seit der Annexion der Krim 2014 hat der Kreml Schritt für Schritt die ökonomische, diplomatische und sicherheitspolitische Nähe zur Volksrepublik ausgebaut. Pipelines wie „Power of Siberia 2“, gemeinsame Seemanöver im Ostchinesischen und Ostsee‑Raum, koordinierte Vetos im Sicherheitsrat: Das sind keine reflexhaften Notbewegungen, sondern strategische Setzsteine einer selbstgewählten Achse gegen die liberale Ordnung.
Putins Russland verfügt durchaus über Handlungsoptionen – von einer behutsamen Normalisierung der Beziehungen zu Europa bis zur Diversifizierung seiner Absatzmärkte in Asien, Afrika und Lateinamerika. Es verzichtet bewusst darauf, weil eine enge Allianz mit Xi Jinping zweierlei verspricht: wirtschaftliche Puffer gegen westliche Sanktionen und ideologische Rückendeckung für den revisionistischen Griff nach Einflusszonen. Die Behauptung, der Westen dränge Moskau in Pekings Arme, verkehrt Ursache und Wirkung: Der Kreml provoziert Konfrontation, um dann vermeintlich alternativlos gen Osten zu fliehen.
Wer Russland zum passiven Objekt westlicher Verfehlungen degradiert, entmündigt ein autokratisches Regime, das sehr genau weiß, was es will: Machterhalt im Inneren und ein Sicherheitspuffer, der bis in Europas Hauptstädte reicht. Chinas autoritärer Imperativ deckt sich dabei perfekt mit Russlands restaurativem Eifer. Die Vorstellung eines „Reverse Nixon“, mit dem Washington Moskau von Peking entkoppeln könnte, ist daher pure Illusion. Man trennt keine Partner, die sich aus Überzeugung aneinanderketten.
Solange der Westen seine eigene Schuldlegende pflegt, stärkt er Putins Narrativ von der ewigen Opferrolle – und spielt Xi in die Hände. Zeit, die Perspektive zu drehen: Nicht wir treiben Russland zu China. Russland sucht China, weil beide Regime den gleichen Gegner haben – die freiheitliche Ordnung. Anerkennen wir diese Wahl als das, was sie ist: ein bewusster Pakt der Autokraten. Erst dann kann der Westen eine Strategie entwickeln, die diesen Schulterschluss nicht erklärt, sondern kontert.