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Europa in Dunkelheit: Wie verletzlich unser Kontinent geworden ist

Stromausfälle auf der Iberischen Halbinsel – ein Weckruf über Russlands hybride Bedrohung

Als gestern plötzlich weite Teile der Infrastruktur Spaniens, Portugals, Andorras und sogar angrenzender Regionen Frankreichs versagten, schien Europa für einen Moment in eine neue Ära der Verwundbarkeit einzutreten. Die Tatsache, dass Mobilfunknetze zusammenbrachen, Flughäfen schlossen und Banken lahmgelegt waren, wirkte beinahe wie ein düsteres Lehrstück darüber, wie fragil unser hochvernetzter Alltag geworden ist. Zwar beeilten sich Regierungsstellen zu erklären, es gäbe bislang keine Hinweise auf einen Cyberangriff – doch in der Bevölkerung brach längst Panik aus. Wer in den dunklen Schächten der U-Bahn von Lissabon oder Madrid festsaß, hatte kaum noch Zeit, sich über die möglichen Ursachen kluge Gedanken zu machen.

Man könnte sich fragen: Handelte es sich wirklich um einen Unfall? Oder erleben wir gerade, wie neue Fronten eines längst begonnenen hybriden Krieges sichtbar werden? Es wäre naiv zu glauben, dass massive Infrastrukturausfälle in so großem Ausmaß nicht auch organisiert sein könnten. Und wir wissen genau, welches Land in der jüngeren Vergangenheit wiederholt gezeigt hat, wie perfide es Störungen herbeiführen kann – sei es auf digitalem, politischem oder militärischem Wege. Russland, das sich unter Putin immer mehr in ein aggressives Imperium alter Prägung verwandelt hat, hat sowohl die Fähigkeit als auch das Motiv, Europa zu destabilisieren, gerade in einer Zeit, in der es verzweifelt versucht, mit den USA unter Trump wieder einen Fuß in die Tür der Weltordnung zu bekommen.

In diesen Momenten fühlt man sich unweigerlich an die Zeit nach dem 11. September erinnert, als der Westen bitter erkennen musste, dass seine Sicherheitssysteme für die Bedrohungen einer neuen Ära völlig unzureichend waren. Terroranschläge wie die in Madrid und Paris führten damals vor Augen, dass nicht einmal die scheinbar stabilsten Demokratien vor Attacken gefeit waren – und das durch Gruppen, die ihre Operationen aus fernen Höhlen Afghanistans planten. Was passiert nun, wenn die Bedrohung nicht mehr von verstreuten Terrorzellen, sondern von einem mächtigen, skrupellosen Staat ausgeht?

Die russische Führung hat längst gezeigt, wie wenig sie Menschenleben schätzt, wenn geopolitische Interessen auf dem Spiel stehen. Der brutale Krieg gegen die Ukraine ist dafür Beweis genug. Und wenn das Leben der eigenen Bürger schon so wenig zählt, wie viel Rücksicht dürfen dann andere Länder erwarten, wenn sie Moskaus Hegemonieplänen im Wege stehen? Die geografische Entfernung hat Spanien und Portugal bislang davor bewahrt, direkt in den Strudel der russischen Aggression zu geraten. Aber Entfernungen schrumpfen, wenn Angriffe nicht mehr nur auf Schlachtfeldern stattfinden, sondern in Serverräumen und Stromnetzen.

Es scheint fast ironisch, dass Länder wie Polen und Portugal heute auf einmal dieselbe Bedrohung teilen. Ein Gegner, der längst nicht mehr nur an der Frontlinie der Ukraine seine Macht demonstriert, sondern auch versucht, den Westen durch Desinformation, Infrastrukturangriffe und politische Einflussnahme zu destabilisieren. Und das alles in dem Bestreben, die Machtträume der 1990er Jahre zu erfüllen – als in der Lubjanka die Vision geboren wurde, den postsowjetischen Raum zurück unter Moskauer Kontrolle zu zwingen.

Ohne Regime Change in Moskau wird Europa keine Sicherheit finden. Es braucht keine naive Romantik von einem „Europa von Lissabon bis Wladiwostok“ – sondern eine klare, harte Grenzziehung gegenüber einem Russland, das den europäischen Frieden nur als Schwäche interpretiert. Eine zivilisatorische Mauer, die den Kontinent schützt, ist heute notwendiger denn je.

Und selbst wenn derzeit keine eindeutigen Beweise für eine russische Beteiligung an den Ausfällen auf der Iberischen Halbinsel vorliegen – sollten wir uns wirklich von dieser vermeintlichen Unsicherheit beruhigen lassen? Oder ist es nicht vielmehr an der Zeit, eine unangenehme Wahrheit ins Auge zu fassen: Dass Europa längst wieder um seine Existenzgrundlagen kämpfen muss, während ein neu-altes Imperium mit barbarischen Methoden seine Schatten über unseren Kontinent wirft?